Dystopie
Die Zwanzigerjahre dieses Jahrhunderts werden das Jahrzehnt des Marketings und des Bullshits. Schon jetzt wird nur noch wahrgenommen, wer sich selbst öffentlich anpreist. Noch ist es die Domäne von Firmen und Werbeagenturen, aber insbesondere in den sogenannten sozialen Medien bewerben sich immer mehr Individuen wie Produkte. Aufmerksamkeit, Klicks und die anonyme digitale Liebe der Masse werden zur neuen Währung. Alle ergießen sich in Stärken- und Schwächen-Analysen, ihre Stärken etwas arg überbetonend und das Ergebnis garniert mit einem übergroßen Schuss Schwurbel auf die Welt und ihre Mitmenschen loslassend. Die Suche nach der besten Selbstvermarktungsfloskel mit möglichst viel Impact bei notwendigem und nahezu völligen Verlust von Inhalt ist der neue Volkssport. Persönlichkeit und Wahrhaftigkeit sind verwegene Tugenden einer vergangenen Zeit. Die neue Gratwanderung ist noch mehr die Eigenwerbung zwischen pseudospritziger Individualität und Maximierung der eigenen Massenkompatibilität. Berufe, Urlaube, Partner, Häuser, Autos, Körper und Kinder werden nach Instagrammability gewählt, geshaped und gezeugt. Alle düsen mit Vollgas durch die innere Leere ihrer perfekt polierten Hüllen. Da digitale Aufmerksamkeit keinen realen Gegenwert in der Welt hat und weder den Kühlschrank füllt noch die Miete bezahlt, wird diese Blase irgendwann platzen, und das ganz neoliberal direkt beim Einzelnen und nicht bei den Firmen. Diese werden sich an den notwendigen oder als notwendig vermarkteten Produkten von Selfie-Kameras über Apps bis hin zu virtuellen Produkten wie bezahlten Werbe-Einblendungen eine zumindest silberne Nase verdient haben. Psychische Störungen werden spätestens dann in den Statistiken den Herz-Kreislauf-Erkrankungen in puncto Kosten für Gesellschaft und Wirtschaft den Rang ablaufen.
Foto: Pixabay, bearbeitet vom Autor.
Kommentare
Laura am :
Von dir wieder mal präzise ausgedrückt und auf den Punkt gebracht. Meine eigenen Gedanken entsprechen dem, aber wenn's da so geschrieben steht ist es gruselig.