Endstation
Neben dem Fahrstuhl, der auf Schwäbisch Aufzug heißt, hängt eine Tafel mit Namen und Zimmernummern der Bewohner. Das hört sich nett an, eine Residenz mit Bewohnern. Sankt-Soundso, klingt edel. Ein Eingangsbereich mit Aufenthaltsraum, um das Wort Wohnzimmer zu umgehen, denn er ist bis auf Möbel im Einrichtungs-Stil und ein altes Klavier im Moment so unbewohnt wie die kleine Empfangstheke davor. Aber es gibt ja die Tafel mit Namen und Nummern. Oben dann der üble Geruch von Scheiße, zusammen mit einer leicht säuerlichen Note, meine Nase mag sich nicht zwischen Zitronenduft und Pisse unterscheiden. Faltige, graue, vergilbte Menschen sitzen an Tischen und nehmen Nahrung zu sich, inmitten des Scheißegestanks. Dein Zimmer ist kahl, keine Bilder, zweckmäßige Pressspanmöbel sind in ein Plastikfurnier mit Holzoptik gepackt, es stinkt anders hier drin. Du schläfst und merkst nichts. Ich glaube nicht, dass, du weißt, wo du bist. Einmal wachst du auf und siehst mir in die Augen und ich freue mich plötzlich, dich zu sehen. Gestern hast du sogar einen ganzen und außerdem verständlichen Satz zu mir gesagt. Dann schläfst du wieder und ich gehe irgendwann und ärgere mich über mich selbst, weil ich daran denke, wie du das mal gemacht hast, als ich in der Kinderklinik war: Einfach abhauen, während man schläft. Ich fand das ganz schrecklich, damals. Auf der Straße möchte ich weinen. Wir haben dich in die Scheiße gesetzt, weil wir es nicht mehr packen. Du kannst nichts mehr allein – gar nichts kannst du allein, außer sterben. Für viele Dinge muss man bei dir zwei starke Altenpflegerinnen sein. Ich möchte das Wort Würde verprügeln, das alle im Munde führen, süchtig danach und angewidert davon, wie beim Kautabak, insbesondere Politiker vor Wahlen. (Und dann ausspucken.) Die Realität ist: Die Alten sitzen in der Scheiße.
Foto: Pixabay, bearbeitet vom Autor.
Kommentare